Körpersprache für Hundehalter

Der Mund

Lächeln, Gähnen, Schweigen

Seine Signalwirkung auf Hunde ist groß. Und wenn er schweigt, dafür aber gezielt bestimmte Ausdrucksformen annimmt, vermag der Mund bei der Erziehung kleine Wunder zu vollbringen.

Ohne ihn wäre das Leben nur halb so schön. Vielleicht aber auch unkomplizierter. Was wären wir ohne den Mund – das Zentrum kulinarischer Genüsse, die Schaltzentrale der Kommunikation? Auch beim täglichen Umgang mit dem Hund ist der Mund nicht wegzudenken.

Signalwirkung: Mund

Er gibt Stimmkommandos, pfeift fordernd oder lobt mit sanftem Tonfall. Manchmal macht er aber auch einfach zu viel. Da wird ständig auf den Hund eingequasselt. So, als wäre er ein duldsamer Zuhörer, dem man alles anvertraut. Kein Wunder, wenn der Hund dann nicht immer gleich mitbekommt, ob der Dauerredner am anderen Ende der Leine nur so vor sich hin textet oder aber gerade etwas Konkretes will. 'Was ich noch sagen wollte ... Sitz! Na, das ist ja wohl kaum zu glauben. Hast du – Sitz – diesen wüsten Autofahrer gesehen? Der hätte uns – Sitz jetzt – beinahe umgefahren.' Welcher Hund soll da noch durchsteigen?

Abgesehen von der verbalen Kraft des Mundes, hat er auch Signalwirkung, wenn der Redefluss versiegt. Es ist ein großer Unterschied, ob beide Mundwinkel fröhlich nach oben zeigen oder griesgrämig nach unten weisen. Entspannte, sinnliche Lippen haben eine andere Ausstrahlung als zu einem dünnen Strich zusammengepresste Strichlippen. Ein Kussmund oder ein zum Pfeifen gespitzter Mund gibt einem Hund ganz andere Signale als ein gähnender Mund. Hunde interessieren sich sehr für diese Signale. Schließlich gehört diese Form der Kommunikation zu ihrem ursprünglichen Verhaltensrepertoire. Nur unterscheiden sich die Bedeutungen der ähnlich wirkenden Signale.

So ist das breit grinsende Gesicht des Hundes in der Regel kein Ausdruck der Freude. Nach hinten gezogene Maulwinkel verlängern den Lippenspalt und sind oft eines der für Unterwürfigkeit typischen Körpersignale. Verkürzt sich die Lippenspalte hingegen deutlich und formt sich zu einem C, weil der Hund seine Lippen hoch- oder runterzieht, um die vorderen Zähne zu blecken, handelt es sich um Angriffsdrohen. Bei Hunden mit dunklen Lippen und einem hellen Haarwuchs rund um das Maul sind solche Lippenbewegungen besonders deutlich zu sehen. Bei vielen Hunden ist das aufgrund des Fells oder der Fellfarbe allerdings schwierig. Beim Defensivdrohen fällt der extrem lange Lippenspalt auf. Die Maulwinkel sind jetzt spitz und lang. Der Hund bewegt die Lippen extrem weit nach oben, so dass – abgesehen von den vorderen Zähnen – auch das Zahnfleisch sichtbar wird. Er ist in diesem Zustand noch durchaus dazu bereit, sich bei Bedarf zu verteidigen. Er legt es aber nicht darauf an, sondern befi ndet sich eher schon auf dem Rückzug. Bei echter Unterwürfigkeit zieht der Hund die Lippen waagerecht zurück. Oft blitzt nun auch die Zunge hervor. Der Hund beleckt seine eigene Schnauze oder macht ungerichtete Zungenbewegungen.

Lefzenlecken

Nun zu den Möglichkeiten, die unser Mund bietet. Da wäre einmal der offene Mund, der situationsabhängig Interesse, Erstaunen oder Erschrecken signalisiert. Es scheint auch so, als wenn der off ene Mund die Bereitschaft , etwas aufzunehmen, begleitet. Im Gegensatz zum fest verschlossenen Mund, der mehr als deutlich sagt: 'Ich bin mit mir selbst beschäftigt und jetzt gerade nicht off en für andere Dinge.' Hohe Konzentration, körperliche Anstrengungen oder auch andere Anspannungszustände werden meistens von einem betont geschlossenen Mund begleitet.

Es gibt aber auch den entspannt geschlossenen Mund, der eher auf innere Ruhe und Ausgeglichenheit schließen lässt. Er ist deshalb auch Teil der neutralen Gesichtsmimik, die im Umgang mit dem Hund eine wichtige Position einnimmt. Heruntergezogene Mundwinkel können verschiedene Auslöser haben. Trauer, Schmerz, Verlustangst, Frustration, Teilnahmslosigkeit oder depressive Verstimmungen stecken häufig dahinter. Ein Dialog mit der Umwelt ist in dieser Situation unerwünscht. Deshalb schrecken heruntergezogene Mundwinkel Kontaktsuchende auch ab. Ganz anders ist die Wirkung hochgezogener Mundwinkel. Sie signalisieren Freude und die Bereitschaft, sich anderen zu öffnen. Das macht sympathisch, wirkt anziehend und kontaktbereit. Verbitterte oder sorgenvolle Mundzüge gehören zwar auch zum menschlichen Repertoire der Mimik, beides ist für den Dialog mit dem Hund jedoch ungeeignet. Viel interessanter ist der Effekt des Gähnens oder das gezielte Belecken der eigenen Lippen. Beides würde im Gespräch mit einem anderen Menschen vielleicht zu Irritationen führen, bei Hunden lassen sich damit Spannungen abbauen.

Zurück zum Hund. Ist er gut gelaunt und in einer positiven Grundstimmung, die sich bestens für ein erfolgreiches Training eignet, wirkt sein Fang entspannt und ist leicht geöffnet. Oft schaut nun auch die Zunge hervor, was den sympathischen, fast lächelnden Gesichtsausdruck des Hundes unterstreicht. Hunde können nicht lächeln? Doch, sie können. Im Gegensatz zu anderen Haustieren scheinen einige von ihnen diese menschlich wirkende Verhaltensweise tatsächlich adaptiert zu haben. Sie zeigt sich vor allem bei der Begrüssung des Menschen und gibt dem Ganzen einen leicht unterwürfigen Beigeschmack. Die Fähigkeit hierzu ist genetisch veranlagt. Der gezielte Einsatz in einer bestimmten Situation mit dem bekannten Menschen ist erlernt.

Erwartungsvoll

Schließt sich der Fang des Hundes, verändert sich sein Ausdruck sofort radikal. Irgendetwas hat sein Interesse geweckt, und meistens wendet sich nun auch der Blick diesem interessanten Aspekt zu. Zieht er als Nächstes die Lippen zurück und bringt so Zähne und Zahnfleisch ans Tageslicht, ist das ein Warnsignal. Solange der Fang dabei noch weitgehend geschlossen bleibt, ist der Hund noch nicht wirklich massiv beunruhigt. Legt sich der Hautbereich oberhalb der Nase nun jedoch in Falten und die obere Zahnreihe kommt bei weiter geöffnetem Fang blitzend zum Vorschein, ist die Lage ernst. Wenn der Auslöser nun nicht das Weite sucht oder seine Demut demonstriert, könnte ein Angriff drohen. Nun ist auch klar, warum ängstliche Hunde verstört reagieren, wenn man die Mundwinkel zusammenzieht, um ein lockendes Geräusch zu machen. Das ist zwar nett gemeint, wirkt auf den Hund aber wie eine Drohgebärde. Deutliches Gähnen ist womöglich ein viel besserer Weg, um einem ängstlichen Hund die Angst zu nehmen. Zwar besagen neuste Studien, dass Gähnen bei Hunden kein Beschwichtigungssignal, sondern ausschließlich ein Stressanzeichen ist, aber Ramona Teschner möchte aufgrund ihrer täglichen Erfahrungen in der Hundeschule dennoch nicht aufs gezielte Gähnen verzichten. Ihrer Erfahrung nach wirkt es sich tatsächlich beruhigend auf unsichere Hunde aus und nimmt Druck aus angespannten Situationen. Für sie ist Gähnen somit nach wie vor eine hervorragende Variante der Körpersprache, um Angsthasen zu beruhigen und Potenzprotze zu beschwichtigen. Es funktioniert einfach. Tipp: Gähnen entfaltet seine optimale Wirksamkeit, wenn gleichzeitig eine Unterbrechung des direkten Blickkontaktes erfolgt und anschließend blinzelnde Augen einen friedlichen Neuanfang schaffen.

Gähnen

Dennoch kann Ramona Teschner die neuen Studienergebnisse nachvollziehen: Gähnen kann eine Stressreaktion sein. Überfordert der Trainer seinen Hund, gähnt dieser womöglich angespannt. Bei Welpen und Junghunden kann schon ein scharfer Tonfall dazu führen. Lernt der Hundeführer, Stimmkommandos mit freundlichem Tonfall zu versüssen, stellt der Hund das Stressgähnen ein. In Lernsituationen sollte man deshalb auf Gähn-Reaktionen achten und die Erwartungshaltung senken, um den Hund wieder in eine neutrale, lernbereite Stimmung zu bringen.

Beschwichtigend wirkt auch das Belecken der eigenen Lippen bei gleichzeitigem Abbruch des direkten Blickkontaktes und seitlich abgewandten Kopf. Der gezielte Einsatz der Zunge begleitet das gesamte Leben des Hundes. Die Hundemutter leckt die Welpen zuerst, um ihre Atmung und Verdauung anzuregen, dann, um sie zu pflegen. Bald darauf beginnen die Wurfgeschwister, sich gegenseitig mithilfe der Zunge zu säubern. Mit zunehmendem Alter bekommt die Bedeutung des Leckens weitere Facetten. Es signalisiert dem Gegenüber, dass keinerlei Bedrohung zu erwarten ist. Das Belecken der mütterlichen Lefzen dient bei Welpen eigentlich der Anregung des Würgereflexes. Sie soll Nahrung von sich geben, damit die Kleinen, die langsam der Milch entwöhnt werden, ihren Hunger stillen können. Da Familienhunde-Welpen in der Regel keinen Hunger leiden, kommt es nicht zum Auswürgen der Nahrung. Besteht akuter Futtermangel, setzt dieser bei Wildhunden stark ausgeprägte Reflex in vielen Fällen wieder ein.

Hunde setzen ihre Zunge auch ein, um mit Menschen zu kommunizieren. Wobei das oft fälschlicherweise als Küssen interpretierte Belecken der Hand oder der Mundwinkel kein Liebesbeweis, sondern eher ein Zeichen der Unterwürfigkeit ist. Was nicht heißt, dass der Hund damit kein egoistisches Ziel verfolgt. Das ist durchaus so. So kann das Belecken des Menschen ein Betteln um Nahrung sein. Auf jeden Fall soll es aber auch beschwichtigen. Auf Ärger ist ein leckender Hund sicherlich nicht aus.

Text: Gabriele Metz
Inhalte: Ramona Teschner
Fotos: W. Vorbeck

mit freundlicher Genehmigung des VDH